Sonntag, 3. Juni 2012
Das besondere an digitalem Journalismus...
digital_culture_dw, 13:14h
Online-Medien sind als Hypertext entweder hierarchisch oder netzförmig unsequentiell strukturiert. Anders als Zeitungen (in denen sich auch blättern lässt) oder Rundfunk haben ihre Text-, Bild-, Film- und Tonbeiträge keine so vorgegebene Reihenfolge. Dennoch können etwa Startseite (Homepage), Teaser oder die Platzierung auf der einzelnen Webseite die Aufmerksamkeit des Nutzers lenken (Webtext). Seit Google durch seine Suchmaschinen-Ergebnisse das Verhalten vieler Nutzer stark beeinflusst, ist suchmaschinenoptimiertes Schreiben im Online-Journalismus wichtig.
Angebote des Online-Journalismus sind potenziell multimedial. Zu einem Thema wählen die Online-Journalisten geeignete Darstellungsformen und setzen es mediengerecht um (Text, Bild, Ton, Film). Platz- bzw. Zeitbeschränkungen fallen praktisch weg; Speicherplatz und Übertragungskapazität sind heute keine Restriktionen mehr.
Viele Vorgänge im Online-Journalismus sind mit denen im Offline-Journalismus identisch: Themenauswahl, Recherche, Produktion von Inhalten, Redigieren etc. Online-Medien haben jedoch keinen Redaktionsschluss, es sei denn, er wird gesetzt. Die Technik ermöglicht eine ständige Aktualisierung von Inhalten, einschließlich der Korrektur bereits publizierter Beiträge, aber auch eine Mehrfachnutzung von Content (Syndication).
Die onlinetypischen Kommunikationsmöglichkeiten lassen die Rezipienten – z. B. im Sinne von Brechts „Radiotheorie“ – selbst aktiv mitwirken (Newsgroups, Weblogs, Wikis, Podcasting, Graswurzel-Journalismus). Das ermöglichte ursprünglich den Bürgern, ihre Themen in die Medien einzubringen. Die etablierten Medien nutzen solchen User Generated Content heute zur Leser-Blatt-Bindung.
Im Gegensatz zu den Printmedien, die seit Jahren unter finanziellem Druck stehen (sei es, weil die kaum Rendite erwirtschaften oder weil die Verleger mehr als die tatsächlich erwirtschaftete Rendite erwarten), wird der Online-Journalismus als zukunftsträchtig empfunden. Klassische Verleger wie der Axel-Springer-Verlag oder die Spiegel-Gruppe bieten verstärkt redaktionelle Inhalte bezahlungspflichtig an. Andere Anbieter wie faz.net oder Handelsblatt hatten dies schon lange vor ihnen praktiziert.
TECHNIK
Von Online-Journalisten werden vertiefte Kenntnisse und Fähigkeiten im Einsatz von Hardware und Software erwartet. Waren in der Anfangszeit des Online-Journalismus HTML-Kenntnisse unverzichtbar, können sich dank der Entwicklung des Content-Management Mitarbeiter in der Online-Redaktion heute mehr auf ihre journalistischen und konzeptionellen Aufgaben konzentrieren. Dazu zählt vor allem die Syndication, der Austausch digitalen Contents (siehe auch XML, RSS).
Erwartet wird neben der Fähigkeit, zumindest mit Wysiwyg-Editoren umzugehen, außerdem Know-How im Bereich Suchmaschinen-Optimierung. Daneben treten Kenntnisse in der digitalen Bildbearbeitung sowie der Audio- und Videobearbeitung (Download, Streaming Media).
KRITIK
Webseiten von Medien vermischen häufig redaktionellen Inhalt und Werbung in unzulässiger Weise. Oft ist für den User nicht transparent, wo es sich um bezahlten (Werbung) oder redaktionellen Inhalt handelt.
Bei vielen onlinejournalistischen Angeboten wird kritisiert, dass sie die Möglichkeiten der Multimedialität, also die Wahl des jeweils geeigneten Kommunikationskanals, unzureichend ausschöpfen. Weitergehend auch, dass es Onlinejournalismus von Verlagshäusern außer als Zweitverwertung von Printnachrichten kaum gebe.
Mangelnde Transparenz der Quellen: Copy-and-Paste-Journalismus vernachlässigt in noch stärkerem Maße als bei Offline-Medien die Recherche. Zum einen werden oft ungeprüft Inhalte aus Internet-Quellen übernommen. Zum anderen stammen Informationen wie im klassischen Journalismus nicht selten von anderen Offline-Medien oder aus Agentur- und Pressemeldungen, werden unkritisch übernommen und spätere Richtigstellungen oder Dementis von diesen verpasst. Bei einem mehrfach aktualisierten Online-Beitrag bleibt für die User häufig auch unklar, wie die ursprüngliche Information im Laufe des Tages verändert wurde und warum.
Der Deutsche Presserat hat 2008 den Geltungsbereich des Pressekodex und damit der Selbstkontrolle auch auf den Online-Journalismus außerhalb des Rundfunks ausgedehnt.
Wie problematisch Online-Journalismus sein kann, demonstrierte die Stuttgarter Zeitung am 28. Januar 2012. Beim Testlauf einer technischen Umstellung stellte die Online-Redaktion einen Blindtext mit der Überschrift „Merkel tritt zurück“ ins Netz. Für eine Viertelstunde war der fiktive Text im Internet abrufbar. Die Redaktion entschuldigte sich später für die peinliche Panne.
VORTEILE
Trotz großer Sorgfalt bei Journalisten und Redaktionen kam und kommt es immer wieder vor, dass Zeitungen fehlerhafte Meldungen veröffentlichen. Manchmal entwickelt die veröffentlichte ‚Falschinformation‘ ein Eigenleben und verdrängt die tatsächlich richtige Information.
Einige Onlineseiten bieten Korrespondenzlinks wie „Fehler im Artikel melden“; andere reagieren auf Feedbacks, die Leser an die im Impressum genannte Mailadresse schicken. Manchmal wird diese Änderung auch transparent gemacht. Je schneller ein Fehler entdeckt und korrigiert wird, desto weniger Leser lesen eine falsche Information.
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